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Resonanz

Eine Soziologie der Weltbeziehung | Hartmut Rosa

E-Book (EPUB)
2016 Suhrkamp
Auflage: 1. Auflage
815 Seiten
ISBN: 978-3-518-74285-3

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€ 21,99

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Kurztext / Annotation

Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleicht die Lösung. So lautet die Kernthese dieses gefeierten Buches von Hartmut Rosa, das als Gründungsdokument einer Soziologie des guten Lebens gelesen werden kann. Anstatt Lebensqualität in der Währung von Ressourcen, Optionen und Glücksmomenten zu messen, müssen wir unseren Blick auf die Beziehung zur Welt richten, die dieses Leben prägt. Dass diese Beziehung immer häufiger gestört ist, hat viel mit der Steigerungslogik der Moderne zu tun, und zwar auf individueller wie kollektiver Ebene. Rosa nimmt die großen Krisen der Gegenwart in den Blick und weist einer resonanztheoretischen Erneuerung der Kritischen Theorie den Weg.



Hartmut Rosa, geboren 1965, ist Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Tractatus- Preis, den Erich-Fromm-Preis, den Paul Watzlawick Ehrenring und den Gottfried Wilhelm Leibnitz-Preis 2023.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

I.
Einleitung
1. Die Soziologie, die Moderne und das gute Leben

Als explizites Thema fristen die Fragen nach dem Glück (als subjektiver Empfindung) und nach dem guten Leben (als objektiv bestimmbarer Lebensform) allenfalls ein Schattendasein in der Soziologie; sie kommen kaum je vor. Es gibt keine kanonisierbare Soziologie des guten Lebens, keine Glückssoziologie, die einen Anspruch darauf erheben könnte, eine ernstzunehmende Teildisziplin des Faches zu sein. Dafür gibt es sowohl fach- als auch gesellschaftsgeschichtliche Gründe.

Was die Fachgeschichte angeht, gilt es zu verstehen, dass die Soziologie sich in ihrer disziplinären Entstehungszeit um 1900 herum nur etablieren konnte, indem sie sich von der Philosophie einerseits und von der Psychologie andererseits abzugrenzen verstand. Die Frage nach dem guten Leben fiel diesem Abgrenzungsbemühen gleich doppelt zum Opfer: Die Suche nach dem Wahren, vor allem aber nach dem Guten und Schönen - und den Kriterien dafür - verblieb im Zuständigkeitsbereich der Philosophie; die Soziologie konnte sich durch diesen Zug nicht nur disziplinär abgrenzen, sondern zugleich von ohnehin kaum je einzulösenden normativen Begründungspflichten entlasten. Auf der anderen Seite aber wurde die Analyse subjektiver Empfindungen und (individueller) psychischer Zustände, zu denen Glück und Unglück zählen, begreiflicherweise dem Gebiet der Psychologie zugeschlagen. Die Soziologie wurde dadurch frei, sich auf die 'objektiven' Ursachen und Folgen des Handelns und die Analyse sozialer Makrostrukturen zu konzentrieren, wobei sie sich eine tiefgreifende Skepsis gegenüber dem Anspruch auf wissenschaftliche Validität im Blick auf die Ergebnisse der beiden Nachbardisziplinen bewahrte: Subjektive Absichten, Deutungen und Empfindungen gelten der Mainstream-Soziologie als untaugliche Wegweiser für die Erklärung sozialer Prozesse und Verhältnisse, und der Bezug auf die der Philosophie entlehnten normativen Maßstäbe für die Beurteilung sozialer Verhältnisse gilt ihr als unseriöse, politisch motivierte Stellungnahme.

An dieser Stelle kommt die Kultur- und Gesellschaftsgeschichte der Moderne als ganze ins Spiel: Moderne westliche Gesellschaften sind gekennzeichnet durch einen unhintergehbaren ethischen Pluralismus und Individualismus. Anders als etwa in der Antike, im scholastisch geprägten christlichen Mittelalter oder auch in den meisten uns bekannten vormodernen Kulturen haben sie in ihrer konstitutiven theoretischen und praktischen Selbstdeutung die Vorstellung des Menschen als eines auf ein bestimmtes Lebensziel, ein Telos, hin angelegtes Lebewesen radikal aufgegeben. Stattdessen gilt uns der Mensch als ein mit Potentialen und Neigungen, Bedürfnissen und Wünschen ausgestattetes Tier, das mit Blick auf die Frage, was es aus diesen Anlagen macht, welche Potentiale oder Bedürfnisse wozu entfaltet werden und welche Wünsche sich entwickeln und verfolgt werden, als radikal offen gelten muss. Daher basieren moderne Gesellschaften westlichen Typs in ihrem kulturellen Selbstverständnis nicht auf der Idee bestimmter (Glücks-)Ziele menschlichen Lebens, sondern auf der Vorstellung mehr oder minder unveräußerlicher (Menschen-)Rechte, die jener Offenheit Rechnung tragen sollen. Subjekte verwirklichen, ja konstituieren sich dabei immer erst in historisch und kulturell bestimmten Kontexten; es gibt keine a priori richtige oder falsche Form des Lebens und mithin auch keine a priori bestimmbare Form des guten Lebens und des Glücks.

Die daraus resultierende Konsequenz der Privatisierung des Guten, die wir alltagspraktisch überall dort reifizieren, wo wir bekräftigen, dass jeder und