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Galapagos

Roman | Kurt Vonnegut

E-Book (EPUB)
2024 Heyne
336 Seiten
ISBN: 978-3-641-30045-6

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€ 9,99

  • noch nicht lieferbar, erscheint 05/2024
  • Als Taschenbuch erhältlich
  • Als Audio erhältlich
  • Als E-BOOK (EPUB) erhältlich
  • Kurztext / Annotation
    Vor einer Million Jahre - 1986, um genau zu sein - ist die Welt, wie wir sie kennen, dem Untergang geweiht. Erst brechen die Finanzmärkte der Erde zusammen, dann das Klima und schließlich sorgt eine Pandemie dafür, dass alle Frauen unfruchtbar werden. Alle bis auf diejenigen, die sich an Bord des Kreuzfahrtschiffes Bahia de Darwin auf dem Weg zu den Galapagos-Inseln befinden. Plötzlich sind die Passagiere die letzte Hoffnung der Menschheit. Doch damit die Menschen als Spezies überleben können, muss sie die Evolution von dem befreien, was sie beinahe in den Untergang geführt hätte: ihren übergroßen Gehirnen.

    Kurt Vonnegut (11.11.1922 - 11.04.2007) meldete sich nach seinem Biochemiestudium freiwillig zur U. S. Army und nahm 1944 an der Ardennenoffensive teil. Er geriet in Kriegsgefangenschaft und kam nach Dresden, wo man ihn und seine Mitgefangenen in einem Schlachthof unterbrachte. Die Bombardierung Dresdens verarbeitete Kurt Vonnegut später in seinem bekanntesten Roman »Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug«, der sich bis heute weltweit millionenfach verkauft. Nach seiner Befreiung und Rückkehr in die USA erschien 1952 sein erster Roman »Player Piano«, 1959 folgte »Die Sirenen des Titan«, der von Harry Rowohlt ins Deutsche übertragen wurde. Bis zu seinem Tod lebte und arbeitete Kurt Vonnegut in New York. Er starb am 11. April 2007 im Alter von 84 Jahren.

    Beschreibung für Leser
    Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

    11

    Wenn Mary, statt sich umzubringen, ihr Ohr an die Rückwand des Kleiderschrankes gelegt und gelauscht hätte, wäre sie Zeugin einer geflüsterten Unterhaltung im Nachbarzimmer geworden. Mary hatte allerdings keine Ahnung, wer rechts und links von ihr wohnte, denn als sie am Vortag eingetroffen war, hatte es noch keine anderen Gäste gegeben, und seither hatte sie ihr Zimmer ja nicht mehr verlassen.

    Die Verursacher der Flüsterns waren *Zenji Hiroguchi, das Computergenie, und seine schwangere Frau Hisako, die Ikebana-Lehrerin, die Unterricht in der japanischen Kunst des Blumensteckens erteilte.

    Ihre Nachbarn auf der anderen Seite waren Selena MacIntosh, die blinde, achtzehnjährige Tochter von *Andrew MacIntosh, und Kazakh, ihr Blindenhund, ebenfalls weiblich. Mary hatte nur deshalb kein Bellen gehört, weil Kazakh niemals bellte.

    Kazakh bellte nie, Kazakh spielte nie mit anderen Hunden, Kazakh untersuchte nie interessante Gerüche und jagte auch nie hinter irgendwelchen Lebewesen her, die zu den natürlichen Beutetieren ihrer Vorfahren gehört hatten. Denn als sie noch ein Welpe war, hatten Menschen mit großen Gehirnen ihr die Nahrung entzogen und sie bestraft, wenn sie so etwas tun wollte. Man hatte ihr von Anfang an klargemacht, auf was für einem Planeten sie lebte: Alle natürlichen hündischen Verhaltensweisen waren verboten - alle.

    Ihre Geschlechtsorgane wurden entfernt, damit der Sexualtrieb sie von ihren künftigen Aufgaben nicht ablenken konnte. Ich würde gern behaupten, dass in meiner Geschichte bald nur noch ein Mann und eine Menge weibliche Wesen auftreten werden, zu denen auch eine Hündin gehörte. Aber aufgrund des chirurgischen Eingriffs an ihren Geschlechtsorganen war Kazakh gar nicht mehr weiblich. Ebenso wie Mary Hepburn nahm sie an der Evolution nicht mehr teil. Sie würde ihre Gene an niemanden mehr weitergeben.

    Hinter Selenas und Kazakhs Zimmer lag die Suite von Selenas energischem Vater, dem Finanzmann und Abenteurer *Andrew MacIntosh. Beide Räumlichkeiten waren durch eine offene Zwischentür miteinander verbunden. *Andrew MacIntosh war Witwer. Mit Mary Hepburn wäre er wahrscheinlich gut ausgekommen, denn er liebte das Leben an der frischen Luft genauso wie sie. Sie sollten sich allerdings niemals treffen. Wie ich schon gesagt habe, werden *Andrew Maclntosh und *Zenji Hiroguchi noch vor Sonnenuntergang tot sein.

    James Wait hatte übrigens ein Zimmer im zweiten Stockwerk, so weit wie möglich von allen anderen Gästen entfernt. Sein großes Gehirn ließ ihn glauben, dass er gewöhnlich und harmlos aussah, aber das war ein Irrtum. Der Hoteldirektor hatte erkannt, dass Wait irgendeine Art Gauner sein musste.

    Der Hoteldirektor, ein äußerst melancholischer, mittelalter Mann namens *Siegfried von Kleist, stammte aus einer der alteingesessenen, größtenteils sehr wohlhabenden deutschen Familien in Ecuador. Seine beiden Onkel väterlicherseits in Quito, denen sowohl das Hotel als auch die Bahía de Darwin gehörten, hatten ihm das Hotel für zwei Wochen anvertraut, damit er die Ankunft der Passagiere überwachte, die an der »Nature Cruise of the Century« teilnehmen wollten. Diese zwei Wochen gingen jetzt ihrem Ende entgegen. Im Allgemeinen war er ein Müßiggänger, der eine ganze Menge Geld geerbt hatte, aber seine Onkel hatten ihn moralisch so unter Druck gesetzt, dass ihm gar nichts anderes übrig geblieben war, als in ihrem Familienunternehmen gewissermaßen »mit Hand anzulegen«.

    *Siegfried von Kleist war unverheiratet und hatte sich nicht fortgepflanzt. Vom Standpunkt der Evolution aus gesehen, war er vollkommen bedeutungslos. Als Heiratskandidat für Mary Hepburn wäre er natürlich infrage gekommen, aber er war ebenfalls zum Tode verurteilt. Den Sonnenuntergang sollte er zwar überleben, dafür aber drei Stunden später von einer Flutwelle ertränkt werden.

    Es war jetzt vier Uhr nachmittags. *Siegfried von Kleist, diese